Einmal hat mir eine Freundin erzählt, dass ihr 5-jähriger Sohn im Kindergarten heute wieder „nur gespielt“ hat. Mich hat das sehr nachdenklich gestimmt.
Zum einen die Idee, dass er etwas anderes hätte tun sollen? Und zum anderen, bin ich dem Gedanken nachgehangen was Spiel eigentlich ist.
Ich glaube, Kinder „können“ zunächst nichts anders, als sich und die Welt spielerisch zu erfahren. Ganz am Anfang schauen sie nur, dann beginnen sie sich, ihren Körper, ihre direkte Umwelt zu erobern. Erst nur mit Blicken, dann den Händen und dem restlichen Körper. Dem folgt die Bewegung aus einem Drang heraus „mehr“ zu wollen. Erst reflexartig und impulsgesteuert. Später mit klarem Fokus und einer Absicht.
Alles will erfahren werden, angefasst, gespürt, geschmeckt, gerochen, begriffen, gehalten, getragen und bewegt werden. Dabei orientieren sie sich mit zunehmendem Alter am Gegenüber. Sie ahmen nach, was sie sehen und drücken aus, was sie dabei empfinden.
Doch was passiert da tatsächlich?
Wenn wir Erwachsenen das tun, nenn man es Forschung und Wissenschaft, wir testen, erproben, versuchen raus zu finden wie es geht, was die Hintergründe sind, lernen zu verstehen.
Kinder tun genau das gleiche.Wir bezeichen das als Spiel, doch die Erkenntnisse sind nicht weniger aufschlussreich für das Kind, als für den Wissenschaftler.
Es erfährt die Welt, die Menschen in seinem Umfeld, das Leben. Er ahmt nach, erschließt sich Erkenntnisse und übt Fertigkeiten. Der einzige Unterschied zum Erwachsenen, liegt in der Tatsache, dass das Kind sich nicht auf Resultate, messbare Ergebnisse, Leistung, Profit, Optimierung ausrichtet, wie wir Erwachsenen es Tag ein Tag aus tun.
Man könnte meinen es sei deshalb nicht wertvoll, weil es „nichts bringt“.
Es ist richtig dass dabei am Schluss eventuell nichts Sichtbares rauskommt. Außer vielleicht, das Chaos, das ein Kind hinterlässt, wenn es die Welt erfährt. Dennoch gibt es für Kinder nichts wertvolleres, als einfach „nur“ zu Spielen und das so frei wie möglich. Ohne vorgegebene Schablonen, ohne Ziel, ohne Ergebnis von außen gesteuert.
Wenn ein Kind also matscht, klettert, Rollenspiele spielt, singt, hüpft könnte man sagen, es erschließt sich wichtige physikalische, körperliche, zwischenmenschliche, anatomische Erkenntnisse, erlebt Erfolg und Scheitern.
Wo läuft das Wasser hin und wieso immer nach untern?
Es gibt Dinge die schwimmen und andere sinken?
Wenn ich mein weißes T-Shirt vollschmiere, schimpft die Mama.
Tassen kann man nicht werfen, dann gehen sie kaputt.
Ich kann den großen Stein nicht heben, das zu genügt meine Kraft nicht.
Mein Bruder haut mich, wenn ich sein Spielzeug nehme.
Oma freut sich, wenn ich singe.
Wenn ich die Rassel fallen lasse, kommt sie immer wieder, weil Opa sie aufhebt. Irgendwann ändert sich seine Stimmung.
Beim Balancieren muss ich achtsam sein, sonst wackle ich oder falle runter.
Beim Rollenspiel ahme ich nach, was ich sehe und habe dazu meine eigenen Empfindungen.
Wenn ich den Turm zu hoch baue, fällt er um, vielleicht muss ich ihn breiter bauen, oder abstützen.
Kinder können das wunderbar und je weniger sie dabei angeleitet, gestört, belehrt oder gehindert werden, desto größer und reicher der Erfahrungsschatz, desto prickelnder das Erleben. Wir Eltern, könnten uns viel häufiger gemütlich zurücklehnen und uns freuen, dass unsere Kinder einfach „nur“ spielen. Umfassender kann Leben nicht erfahren werden, für alles andere ist später noch genug Zeit. Wir sind ja so schrecklich lang erwachsen.
„Aber was soll denn daraus werden?“ könnte die Besorgnis rufen. „Viel Gutes“, würde das Leben antworten!
Autorin: Susanne Sonnleinter